VOM HANS: Vor – Ferien – Grinsen und Elektrolytgetränke

Vor – Ferien – Grinsen und Elektrolytgetränke

Dass der Sommer Einzug hält, macht sich durch vielerlei Anzeichen bemerkbar: bleiche Waden schielen aus unvorteilhaft geschnittenen, kurzen Hosen, Speiseeis erkämpft sich den prominentesten Platz in der Ernährungspyramide, Arbeitsprojekte werden vorsorglich auf den Herbst geschoben, weil im Sommer ohnehin niemand erreichbar ist und in allen Gärten werden periodisch rituelle Feuer entzündet auf denen Fleisch und Ähnliches hingebungsvoll verkohlt wird. Mit dem Anstieg des Vorferiengrinsens wächst bei mir der Verdruss, weil täglich mehr e-mails mit dem Vermerk „die nächsten 6 Wochen nicht im Büro erreichbar“ zurück kommen. Nachbarn und Kinder löchern permanent mit Fragen, wohin und wann ich den heuer auf Urlaub gehe, ob ich im September schon zurück sei und warum ich mir mein langes Beinkleid noch nicht vom Körper gerissen und eine Hawaii – farbene Bermuda um ihn herum geschnallt habe. Wenn mir dann noch morgens die Sonne höhnisch ins Gesicht grinst und „Guten Tag“ entgegen strahlt ist meine Sommer- Depression nicht mehr weit. Während ich noch sinniere, wie ich mich in das kollektive Sommer – Gefühl einklinken könnte, um mein Sozialleben nicht ganz aus der Norm geraten zu lassen, wackelt Hans auf meine Terrasse. Der „Gott-sei-bei-uns“ meines chaotisch-genussfernen Dahinvegetierens verlässt entspannt seine römischen Sandalen, streckt sein Gezehe auf meiner Hausbank aus und lechzt nach sommerabendlichen Elektrolyten. Während ich Hans ein kellerkaltes Bier serviere, lässt er kritisch seinen Blick umher schweifen: „Es bedrückt mich, dass du in deinem Alter noch zu keinem gesunden Hedonismus gefunden hast. Ich glaube, nicht nur du sondern auch das Bier wird krank, weil du es nicht ordentlich kühlst.“ Ich ließ etwas von möglichen Halsschmerzen hören und dass kalt trinken nicht gesund sei. „Dieses Geschwätz,“ dozierte er, „steht dir nicht einmal mit 95 zu. Bier gehört kalt getrunken, in jede Küche gehören Zwiebel, Knoblauch, Käse und Speck, und im Sommer wird gegrillt!“ Bezüglich  Letzterem konnte ich ihm beipflichten, und erwähnte meinen selten genutzten Elektrogriller, den ich von einer Zeitung als Abogeschenk erhalten hatte. Hans nahm ein zweites Bier um nicht zu hyperventilieren und befahl den Elektrogriller sofort beim Sperrmüll zu entsorgen. Um seinen pädagogischen Auftrag zu vollenden, lieh er meine Kreditkarte, kaufte etwas was er einen ordentlichen Griller nannte, plünderte die Beiried-Theke des örtlichen Fleischers, und lud einige Freunde ein. Wenig später stand er inmitten vierzig oder fünfzig weiterer „Hänse“ in meinem Garten, grillkohlte auf Teufel komm raus und erklärte, dass er auch aus mir noch etwas machen würde. Ob dieser optimistischen Aussichten sank ich resignativ auf einen verbliebenen Stein zurück und beschloss der Zukunft mit einem fatalistischen Phlegma zu begegnen. Als ich Hans genussvoll in eine kross gegrillte Käsekrainer beißen sah, fürchtete ich um meine zwanzig Bände über makrobiotische Ernährung, deckte sie mit Tischtüchern ab und stellt demonstrativ eine Flasche Ketchup auf den Küchentisch. „Kindchen“, seufzte Hans, „Glaubwürdigkeit erschöpft sich nicht in einem halben Liter Paradeisersauce!“

VOM HANS: Eiersuchen ist kein Kinderspiel

Eiersuchen ist kein Kinderspiel!
Unangemeldet platzte Hans bei mir herein! In einem riesigen Korb schleppte er eine Unzahl gefärbter Eiern in meine Küche.“Hast du viele Ostereier bekommen?“ bohrte er, während er ungefragt begann die Eier zu schälen. „ Nein, kaum welche,“ antwortete ich, „ aber das ist ja auch nur etwas für Kinder!“ „Du Dummkopf,“ wunderte sich Hans, während der Berg Schalen immer grösser wurde. „Ohne Ostereiersuchen wird es nicht richtig Frühling und natürlich ist das auch etwas für Erwachsene!“. Hans hatte freundlicherweise auch für mich Ostereier versteckt und bestand darauf, dass ich sie umgehend suchte. Nach einer Viertelstunde mit dem Fahrrad landeten wir im Bereich einiger alter Scheunen am Stadtrand. „Los, los, such!“,  hetzte mich Hans vom Fahrrad. Zwischen den Stadeln und dem Waldrand breitete sich ein Meer aus Brenneseln,
Dornen und wucherndem Unkraut aus. Ich tauchte in das undurchsichtige Grün ein, das
augenblicklich ein Jucken und Brennen am ganzen Körper auslöste. Hans hatte es sich
zwischenzeitlich am Wegrand bequem gemacht. Er breitete eine Picknick Decke mit hübschem englischem Muster aus, drapierte darauf Leckeres vom Rohschinken über marinierte Gemüse bis zu altem Käse und Wein, und reckelte sich gemütlich. Mir hatten inzwischen die Brenneseln die Arme gerötet, die Dornen meine letzte noch intakte Hose in Fetzen gelegt und zu guter Letzt stieg ich noch in ein Minibiotop, das meinen Schuhen den Garaus machte. „Mir reicht`s,“ beschwerte ich mich bei Hans, „Ich habe keine Lust auf Eiersuchen, und schon gar nicht auf Dornen, Schlamm und Mückenstiche!“ „Nana, wer wird denn gleich.“, kopfschüttelte Hans, während er ein Stück reifen
Käses mit einem Schluck Rotweins in seinem Körper vereinigte. „Du weißt: Ohne Fleiss, kein Preis! Also bemühe dich ein bisschen!“. Eine halbe Stunde später hatte ich Bekanntschaft mit jedem Insekt dieses Unkrauthaufens gemacht, hatte fast die gesamte Vegetation umgetreten, waren meine Knie zerschunden, die Schuhe im Eimer und mein Gesicht vor Anstrengung gerötet. Ich war schon
fast am Verzweifeln als ich in der Nähe von Hans` Picknick Decke schlussendlich noch ein
gedrechseltes Gebinde mit Eiern und Schololade fand: “Ja!!! Ich hab`s gefunden,“ brüllte ich über die
Wiese und reckte wie seinerzeit Stallone im Dschungel einen Arm mit der Trophäe in die Höhe.
„Ich wusste, dass es dir ein Vergnügen bereiten wird,“ mildlächelte Hans aus seinem Gourmeteck. Erschöpft fiel ich neben ihm auf die Decke und lies meinen Blick schweifen. Selten hat mir eine zertrampelte Unkrautwiese so viel Genugtuung verliehen wie in diesem Moment. Wieder zuhause weihte mich Hans in sein jüngstes Rezept für Eiersalate ein: “Ein erwachsener Mensch sollte mindestens zwei Varianten vom Eiersalat beherrschen,“ doziert er und sein Ton lies keinen Zweifel zu, dass er sich in diesem Zusammenhang mit mindestens der halben Welt einer Meinung wusste.

VOM HANS: strudelteig und nebel

VOM HANS

Strudelteig und Nebel

Fast zu spät, wie jedes Jahr, machte ich meinem Garten den Garaus; das heißt, ich verräumte die Terrassenpflanzen in den Keller, entleerte die Tontöpfe, stopfte die Gießkannen in ein Eck und stapelte die Gartenstühle notdürftig im Gartenhaus. Eigentlich hätte ich mir die Mühe sparen können, weil durch mein Unvermögen ohnehin das ganze Jahr kaum etwas gediehen war. Die teuer erstandenen Palmen waren zu abstrakten, strohigen Gebilden mutiert, dort wo Thymian und Rosmarin gedeihen hätten sollen, starrte mich verdorrte Erde an, und jene Gefäße, die für Zucchini und Topfparadeiser vorgesehen gewesen waren, dienten ausnahmslos als Fressnäpfe für Schnecken. Dort, wo dir bei anderen die üppigen Früchte des Herbstes aus den Kellerregalen entgegen protzen, also Äpfel, Birnen und selbst gezogene Erdäpfel, staubt mir das nackte Holz in seiner vereinsamten Traurigkeit entgegen. Während ich mich in meiner Herbstdepression suhlte, kaum mehr das Haus verließ und wie ein Jammerlappen zwischen Büro- und Küchentisch herum wischte, an einem dieser verdrießlichen Tage, wo das Morgen- nahtlos in das Abendgrauen über zu gehen scheint, schlurfte mein Freund Hans bei mir vorbei. „Tür zu, es zieht!“, grantelte ich ihm schon entgegen, bevor er diese auch noch richtig geöffnet hatte. „Deine Laune strotzt ja nur so von ansteckendem Frohsinn!“, stichelte er. Hans schmiss seinen Wollmantel rücksichtslos über einen Stapel ungeöffneter Rechnungen auf meiner Anrichte, knotzte sich gemütlich auf meine Küchenbank und grinste mich frohgemut an.“Ich sage dir,“ jammerte ich, „der Herbst, der Nebel, die Arbeit und die Kälte – es alles so furchtbar!“ „Keineswegs!“ korrigierte er, „Furchtbar bist nur du! Es ist wohl an der Zeit, dass du ein wenig aktiv wirst und dich an Schönheit und Genuss orientierst!“ „Behalte deine Binsenweisheiten für Dich!“, entgegnete ich, weil ich keine Lust auf Belehrungen hatte. „Paperlapapp!“, antwortete Hans, „Bevor du es dir in deinem Selbstmitleid bequem machst, werden wir noch eine kleine herbstliche Genusstour unternehmen.“ Flugs drängte er mich dazu meine letzten leicht verschrumpelten Äpfel zu schälen und mit Zucker, Rum und Rosinen eine Fülle für einen Apfelstrudel vorzubereiten. Während er mich ständig unterwies, welch eleganter Genuss Herbstwanderungen wären, worin die Schönheit der letzten verfaulenden Blätter liegt und dass nur eine Banause wie ich die Schönheiten des Lebens nicht erkennen würde, wütete er in meiner Küche und produzierte rücksichtslos einen Strudelteig, der gleichermaßen auf dem Boden, wie auf der Anrichte zu ruhen schien. Ich hatte mich schon fassungs- und wehrlos in ein Eck zurück gezogen und harrte der da kommenden Dinge. Hans entkorkte, während der Strudel im Rohr war, ungefragt meinen besten Rotwein, lud mich auf ein Glas ein und schleppte mich schlussendlich zu einer Vernissage im Stadtzentrum. Den Apfelstrudel nahm er als Geschenk mit. Nachdem er mir auf der Veranstaltung zwischen einer erklecklichen Anzahl an Strudelportionen den Sinn der Kunst erläutert hatte, bedankte er sich noch, dass er heute bei mir nächtigen dürfe, gönnte sich noch den letzten Schluck von meinem guten Roten und meinte bevor er zufrieden einschlief: „Ach, ist das Leben schön!“